Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freun-
dinnen und Freunde des Friedens,
von Herzen danke ich den Organisatoren und Veran-
staltern der Friedensbewegung für den heutigen Abend,
Ihnen allen aber für das große Engagement, in der Ver-
söhnungskirche in Kaiserslautern nachdrücklich und
nachhaltig Nein zu sagen zur US Air Base in Ramstein.
Sie gehört nicht auf deutschen Boden, und wir sind
nicht länger verpflichtet, für unsere transatlantischen
Freunde eine Zentrale des internationalen Mordens au-
ßerhalb von Gerichtsurteilen – illegal und in der Regel
im Geheimen – weiter zu unterhalten.
Die Drohnenmorde begannen unter George W. Bush,
ausgedehnt unter Barack Obama, sind natürlich billiger
als „Boots on the Ground“, als Kampfeinsätze und mili-
tärische Truppen am Boden. Es hieß, dass Langley und
die CIA inzwischen die Auseinandersetzung mit dem
Pentagon in dieser Frage gewonnen haben. Es werden mehr Drohnenpiloten ausgebildet
als Bomberpiloten, denn vor allem ist es billiger und für die Weltöffentlichkeit nicht so spek-
takulär wie große Bombeneinsätze.
Das aber bringt die Friedensbewegung in eine merkwürdige Situation. Das Thema Krieg
und Frieden – Abrüstung, Deeskalation, Abbau der Militärpräsenz global – spielt im Bun –
destagswahlkampf kaum irgendeine Rolle – außerhalb der mühseligen Bedingungen und
Bemühungen der Linkspartei.
Die Situation der Gegner des Krieges ist zu vergleichen mit der Lage der griechischen Tro-
janerin Kassandra. Sie war von Apoll damit bestraft worden, weil sie ihm die Liebe verwei-
gerte, alles sehen zu müssen und verkünden zu sollen, ohne je Gehör und Gefolgschaft
zu finden. Wir, die Friedensbewegung, sehen den Aufmarsch von einem Krieg in den
nächsten, wir erklären, wie das Ende dieses Desasters sein wird, aber die Politiker schei –
nen taub zu sein, wenn wir sie hinweisen auf all das, was weder dem Frieden, noch der
Gerechtigkeit, noch dem Zusammenwachsen der Völker dienen kann.
Am heutigen Tag erleben wir mit, wie (der Hurrikan) „Irma“ durch die Karibik zieht und In-
sel um Insel verwüstet. Wir sehen, wie in Mexiko ein Erdbeben der Stärke 8 Elend und
Leid bringt. Seit Monaten erleben wir, wie zwanzig Millionen Afrikaner auf der Flucht vor
Hunger und Elend darum betteln, von der UNO die nötigen etwa 4 Milliarden Dollar zu be –
kommen, damit sie wenigsten überleben (können). Es ist der UNO nicht möglich, 4 Milliarden Dollar zu geben, damit 20 Millionen Menschen überleben können, aber es ist möglich,
Herrn Stoltenberg, dem Chef der NATO, zuzustimmen, (der gefordert hat, dass) die euro-
päischen NATO-Mitglieder ihre Militärausgaben gefälligst auf 2 Prozent der Bruttoinlands-
produkts zu erhöhen haben. Für diesen Schwindel scheint jedes Geld auf Erden richtig
und gut angewandt – es ist es aber nicht.
Allein die Rüstungsausgaben sind ein laterales Hinmorden der Bedürftigsten, und wir in
Deutschland bereiten uns darauf vor, dass die 35 Milliarden Euro für Rüstung rasch auf
über 70 Milliarden anwachsen sollen. Das ist eine sinnlose Verschwendung – selbst Herr
Kissinger sagt das inzwischen. Wir haben eine Unmenge an Zeitvergeudung und an Ver-
urteilung fremder Staaten hinter uns – anstatt miteinander zu reden und Gespräche für
den Frieden einzuleiten.
Ich höre sagen, die NATO sorgt sich vor Russland. Russland gibt ungefähr 80 Milliarden
Dollar pro Jahr für Rüstung aus – das ist allemal zu viel. Aber es ist nicht ein Zehntel von
dem, was „God’s own Coutry“, die USA (sich leisten, die) zusammen mit den 300 Milliar-
den der restlichen NATO-Staaten mehr als 900 Milliarden Dollar für Rüstung ausgeben. (s.
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP02616_230216.pdf ). Der Westen wendet
also fast die Hälfte aller weltweiten Militärausgaben für seine Machtansprüche auf den ge-
samten Globus aus, und wir sollten außerstande sein, uns dagegen zu wehren – gegen
eine Bevölkerung, die das alles aussitzen und verschlafen will, nur weil wir eine Kanzlerin
haben, die jede Diskussion vermeidet und die letzte Gelegenheit, im Parlament darüber zu
reden, unterbindet?
Die Amerikaner unterhalten etwa 600 Militärstützpunkte weltweit (s. http://www.luftpost-kl.-
de/luftpost-archiv/LP_16/LP14817_120917.pdf
), Russland hat einen einzigen – in Syrien.
Wer hat da Grund, sich vor wem zu fürchten? 1989 hat Michael Gorbatschow dem (US-)
Unterhändler James Baker (s. https://de.wikipedia.org/wiki/James_Baker ) ein ehrliches
Angebot gemacht: Man könnte Europa nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pak-
tes und bei Auflösung der NATO entmilitarisieren – vom Ural bis zur Atlantikküste.
Stellen Sie sich vor, wir hätten nur in den letzten 25 Jahren die enormen Anstrengungen
für Rüstung konvertieren können, zur Lösung der wirklichen Probleme dieser Welt – Hun-
ger, Elend, Naturzerstörung, Analphabetismus, Seuchen, Krankheiten, was Sie wollen. Die
UNO benötigt mindestens 4 Milliarden als einen Dauerposten für unmittelbare Katastro-
pheneinsätze. Nicht einmal dieser Posten steht zur Verfügung. Stattdessen wird dann die
Bevölkerung gebeten, in den nächsten 6 Wochen oder 2 Monaten persönlich zu helfen –
den Katastrophenopfern in Mexiko, in Haiti oder sonstwo. Menschen in einem Erdbeben –
gebiet brauchen Hilfe und zwar unmittelbar und nicht erst in 6 Wochen, denn dann sind sie
tot. Nicht einmal das ist möglich.
Wir hören, dass wir einen internationalen Antiterrorkrieg führen müssen. Nelson Mandela
hat bereits gesagt, dass auf jeden getöteten Terroristen 10 neue Terroristen kommen, und
das ist wahr. 2001 hatten wir in Afghanistan etwa 1.000 Al-Qaida-Mitglieder, der IS rekru –
tiert heute bis zu 30.000 Terroristen. Und vergleichen Sie die Taten. Wenn der IS 10.000
Menschen getötet hat, ist das eine furchtbare Zahl. Aber die Amerikaner haben im Nahen
Osten über 2 Millionen Tote zu verantworten – seit 1991 und dann ab 2003 in zwei langen
Kriegen. Alleine in den Proportionen stimmt der Satz: Terror ist der Krieg der Schwachen,
Krieg aber ist Terror der Starken, und den müssen wir überwinden.
Statt auf Gorbatschow zu hören, verfolgte Bush der Ältere ab 1991 den Plan, die NATO
nach Osten zu erweitern und die USA zur globalen Hegemonialmacht zu machen. Seitdem
haben wir einen Krieg nach dem anderen: 1991 im Irak, 1992 in Somalia, 1995 gegen Belgrad, 2001 in Afghanistan, 2003 wieder im Irak, dann kamen Libyen, Syrien, und Mali –
und wir Deutschen immer irgendwie mit dabei, uns scheibchenweise der Realität des Krie –
ges annähernd, unter dem Stichwort, wir müssen uns um Afrika kümmern, denn wir haben
eine internationale Verantwortung. Jawohl Frau Merkel und Frau von der Leyen, wir hätten
internationale Verantwortung – im Kampf gegen Hunger und Elend, aber nicht mit Bomben
und Granaten.
Man lügt uns in einen Krieg nach dem anderen hinein (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-
archiv/LP_16/LP14517_090917.pdf
) und nennt dabei das Töten von Menschen „humani-
täre Einsätze“. Wir verteidigen mit keinem Krieg irgendeinen humanitären Wert. Krieg ist
die Widerlegung aller Werte, und er zerstört sich selber in seinem moralischen Anspruch –
durch den Einsatz von Mitteln, die in keinem zivilen Zusammenhang genehmigungsfähig
wären. Was (ist das) überhaupt für eine Logik?
Erasmus von Rotterdam hat in der „Klage des Friedens“ (nachzulesen unter https://de.wi-
kipedia.org/wiki/Die_Klage_des_Friedens
) 1520 geschrieben: „Doch wenn es zum Krieg
kommt, keine der kombattanten Parteien die eigene Sache für eine unrechte halten wird.
Dann aber fällt man übereinander her, um wie in einem Gottesurteil auf dem Schlachtfeld
herauszufinden, wer der Stärkere sei. Und der Besitzer der schlimmsten Mordwaffen, weil
er siegreich war im Abschlachten von Menschen, soll ausgerechnet die Rechtsinstanz
sein, die jetzt verkündet, dass sein Anspruch schon immer recht gewesen wäre. Das ist
absurd.“ Das meinte Erasmus von Rotterdam schon vor einem halben Jahrtausend. Wann
begreifen wir endlich, dass Krieg kein Problem löst, aber alle bestehenden Probleme nur
vermehren kann.
Statt Krieg zu führen, müssten wir miteinander reden. Die Idee Gorbatschows ist im Grun-
de sehr alt, und wir hätten nur jemandem folgen müssen, dem wir damals nicht glauben
wollten. Einer der Hauptkonstrukteure des so genannten Kalten Krieges ab 1945 war Sir
Winston Churchill. Am 10. Mai 1953 bringt es Winston Churchill im Rückblick auf seine ge-
samte Amtszeit kurz vor seinem eigenen Sterbedatum in einer ergreifenden Rede fertig,
zu sagen, der Kalte Krieg müsse beendet werden. Er sei eine ungeheure Verschwendung
von menschlichen, wirtschaftlichen, militärischen, kulturellen und politischen Ressourcen.
Er müsse gestoppt werden, damit wir die Zukunft gewinnen (könnten). Der kalte Krieg sei
desaströs. Das stammt von dem Mann, der den über 50 Jahre dauernden Kalten Krieg mit
zu verantworten hat.
Uns Deutschen hat man aber beigebracht, dass wir uns wiederbewaffnen müssten – zwei
Jahre später im Jahr 1955 (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Wiederbewaffnung ) – damit wir
all das Furchtbare lernen, zur Aufrechterhaltung der „Balance of Power“ (s. https://de.wiki-
pedia.org/wiki/Balance_of_Power_
(Doktrin), der wechselseitigen Bedrohung, und damit
wir nie tun müssten, was Soldaten zu tun pflegen. Wir könnten das Töten von Menschen
vermeiden, indem wir mit dem Töten von Menschen derart furchtbar drohen, dass uns nie –
mand anzugreifen wage. Dieses moralische (Konstrukt) war die Einleitung der bundes-
deutschen Lüge zur Bundeswehr West.
Man kann nur ernsthaft drohen, wenn man willens ist, das Angedrohte im Ernstfall auch zu
tun. Und das waren wir, das waren die uns Regierenden. Sie hielten Atomkriege für führ-
bar. Sie waren in der Kubakrise 1962 (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Kubakrise ) bereit,
auf den Knopf zu drücken. Wir haben mehrfach Glück gehabt. Und jetzt (ist) wieder zu hö –
ren, dass die 15.000 Nuklearsprengköpfe der Amerikaner modernisiert werden müssen,
damit sie noch besser, taktisch klüger und präziser einzusetzen wären (s. http://www.luft-
post-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP01016_220116.pdf
), und sie sollen weiter in Büchel auf
deutschem Boden gelagert sein; (das) kann nur beantwortet werden mit höchstem Widerspruch. Und wir verlangen, dass die bundesdeutsche Regierung selber diese, unsere
Stimme des Widerstandes endlich aufgreift. Herr Westerwelle als Außenminister war wil-
lens und fähig, dafür zu sorgen, dass Büchel geschlossen wird. Frau Merkel war es nicht.
Sie musste in atlantischer Treue den Amerikanern weiter in den Krieg folgen. Wer stoppt
eigentlich Frau Merkel?
Jetzt schreiben sogar Mainstream-Medien wie die Süddeutsche, man werde mit Nordko-
rea reden müssen. Ich frage Sie, in welcher Welt befinden wir uns, dass erst einmal Was-
serstoffbomben gezündet werden müssen, damit die Mächtigen willens werden, miteinan-
der zu reden. Es ist Putin, der den Amerikanern den Vorschlag gemacht hat, sie und die
Südkoreaner sollten ihre Militärmanöver abblasen und dann Nordkorea (auffordern,) seine
Atomrüstung (zu) stoppen. Beides wäre gleichgewichtig, und es wäre sogar die geheime
Absicht Nordkoreas, genau das zu tun.
Wer macht sich noch eine Vorstellung, wie ab 1950 Nordkorea unter Napalm verbrannt
wurde – in einem der furchtbarsten, menschenfressenden Kriege, die wir im ganzen
20. Jahrhundert hatten. Da ist eine Riesenschuld zu begleichen, die aber meistens totge-
schwiegen wird – scheinbar, weil nicht wir damit leben (müssen).
Allein, dass wir Raketen aufstellen im Baltikum, zeigt, in welch einem Wahnsinn die uns
Regierenden immer noch befindlich sind. Was am 6. August 1945 über Hiroshima ge –
schah, hätte das Bewusstsein der Menschheit ein für alle Mal ändern können: Niemals
mehr Hiroshima, niemals mehr Nagasaki! Stattdessen haben wir die Dauerbedrohung zum
Normalzustand gemacht. Wir müssen aufhören, uns von den Regierenden Angst einjagen
zu lassen.
Wir können sagen, wir verstehen die trojanische Kassandra. Wir reden von all dem, aber
wer hört denn wirklich auf uns, und was können wir persönlich tun? Die nächste Wahl wird
hingehen, und wir werden erleben, dass alles weiter geräuschlos hinter der Bühne Tritt
fasst und in Marsch kommt.
Wir als Einzelne können eine Menge tun, indem wir in unserer eigenen Umgebung und
Zuständigkeit, bei unseren Freunden, in Gesprächskreisen, (in) den eigenen Familien Frau
von der Leyens Programm, die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft ankommen zu
lassen, mit Bewusstsein und in Klarheit boykottieren. Sie schickt ihre Bundeswehroffiziere
inzwischen in die Schulen, um 16- und 18-jährigen Jungen und Mädchen beizubringen,
dass Soldatsein, ein Beruf wäre. Helmut Schmidt hat einmal gesagt, Soldatsein sei kein
Beruf – da hatte er recht. Dann fügte er aber hinzu, es sei eine Pflicht; da er sich sich gern
auf Immanuel Kant berufen hat, hätte ihm gesagt werden müssen, Soldatsein ist nie eine
Pflicht, es ist stets verboten, denn immer muss die Moral bestimmen, wie die politische
Handlung zu sein hat, nie aber die Politik die Moral.
Vor 200 Jahren konnte Immanuel Kant bereits klar und deutlich formulieren, dass, so lan –
ge aufgerüstet wird, die Option des Krieges vorbereitet wird und (dass) schon die Kosten
des Krieges verbrecherisch sind – in Ansehung der Ungerechtigkeit und des Leids, das
damit einhergeht. Es ist widersinnig, auf diese Weise Frieden präparieren zu wollen, denn
wo der eine seine Kriegsbereitschaft durch Rüstung dokumentiert, wird der Nachbarstaat
oder der angezielte potentielle Gegner genau so rüsten. Und er wird schlimmer rüsten
müssen, als der andere, denn nur der Überlegene wird auch auf dem Schlachtfeld überle-
ben (s. http://philosophiebuch.de/ewfried.htm ).
Krieg wird sich immer weiter steigern. Der preußische Militärstratege Clausewitz (s.
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Clausewitz ) hatte völlig recht: „Ein Krieg hat in sich die Tendenz, zum Unendlichen zu gehen, wenn nicht äußere Faktoren hemmend auf ihn
einwirken.“ Wir sind hier, (um) schon auf die Kriegsvorbereitungen hemmend einzuwirken,
so lange wir reden und denken können. Wir sagen, Schluss damit – mit der Rüstung, der
Kriegsvorbereitung und der Schaffung der Kriegsbereitschaft schon in den Köpfen von 16-
und 18-Jährigen.
Und so sagen wir Frau von der Leyen: Soldatsein ist kein Beruf wie jeder andere. Es ist
möglich, dass Sie sich beim Einkauf einer Wurstware keine Gedanken über die Schlach –
tungsbedingungen in der Schlachthöfen an der Peripherie der Großstädte machen. Es ist
auch möglich, dass man die Bevölkerung derart eindämmert, dass sie am Ende glaubt,
Sicherheit käme von weit entfernten Maßnahmen, die sie kaum sieht und auch nicht be-
merken soll, die aber blutrünstig genug und inakzeptabel wären, könnte man sie sehen.
Und wir sind hier, möglichst bewusst zu machen, was Soldatsein heißt.
Es ist das Gegenteil von dem, was ein Bürger sein sollte. Es ist die geborene Schizophre –
nie, denn der Krieg verteidigt nicht die Kultur, er widerspricht ihr in allem. Alles, was im
bürgerlichen Zusammenleben als verboten und verbrecherisch gebrandmarkt wird, ist im
Krieg die trainierte Ausführung gegebener Befehle, die zum Sieg führen sollen. Um (das
Jahr) 220 schreibt in Nordafrika der Kirchenvater Cyprian (s. dazu auch https://de.wikipe-
dia.org/wiki/Cyprian_von_Karthago
): „Deck die Dächer der Häuser dieser Welt ab, und du
siehst die Welt triefen vor Blut, denn mordet ein Einzelner einen Einzelnen, dann ist das
ein Verbrechen. Mordet aber einer auf Befehl des Staates Hunderte, dann ist es verdienst-
voll, und er wird dafür geehrt. Das bedeutet es, Soldat zu sein – geschützt durch den Ge-
samtraum des Kollektivs, Dinge tun zu müssen, die keinem privaten Willen unter normalen
Bedingungen entstammen könnten.
Ein Rückfall in die Steinzeit – das heißt Soldat (zu) werden, und eben deshalb ist das Trai –
ning auf den Kasernenhöfen nötig. In Stanley Kubricks Film (Full Metal Jacket) wird das
klar analysiert. Der Drill-Sergeant muss das persönliche Gewissen niederbrüllen und nie-
derschreien. Er ist ab sofort d i e Autorität – kein Pastor, kein Papst, kein eigener Vater,
niemand. Er befiehlt. „That’s an order!“ (Das ist ein Befehl!), und es wird nicht diskutiert
über die Richtigkeit des Befehls, einzig zu verantworten ist die korrekte Ausführung des
Befehls. „Also, wenn ich euch sage, ihr bringt die auf dem Hügel alle um, dann bringt ihr
sie alle um. Wir machen euch zu Profikillern.“ Schauen sie Stanley Kubricks Film „Full Me-
tal Jacket“ an, die erste halbe Stunde, die Präparation auf den Vietnamkrieg. Permanent
entmenschlichte Personen, die sich nur noch bewegen wie Menschen. In ihnen steckt die
Bereitschaft zum Morden, und die ist jederzeit abrufbar. Das von der Zivilisation geprägte
Verhalten wurde durch den Drill auf dem Kasernenhof ausgelöscht. Das nennt man dann
Gehorsam.
Dabei haben Amerikaner 1947 im Nürnberger Prozess diesen (Kadaver-)Gehorsam)
selbst kriminalisiert. Alle Nazi-Granden hatten die Ausrede, „Befehl ist Befehl!“ Und die
amerikanischen Ankläger haben richtigerweise dagegen gehalten: „Das tilgt doch nicht
eure Schuld. Ihr habt euer Gewissen abgegeben, eure Personalität; beim Eintreten in das
Walhall eurer Geschichte habt ihr es ausgetauscht gegen den Stahlhelm. Ihr habt nur
noch gedacht, was befohlen wurde. Was wart ihr denn für Menschen, als ihr euch freiwillig
entmenschlicht habt.“ Die Amerikaner haben die von ihnen aufgestellten Nürnberger Prin-
zipien (s. https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Prinzipien ) allerdings nie auf
sich selbst bezogen.
1995 hat Günter Jauch den Bomberpiloten Charles Sweeney (der am 9. August die Atom-
bombe auf Nagasaki abgeworfen hat) in seiner RTL-Sendung gefragt: „Mister Sweeney,
Sie waren damals knapp 20 Jahre alt und haben eigenhändig über 100.000 Menschen

umgebracht, mehr als jeder andere zuvor, ausgenommen ihr Staffelkamerad Majors Ea-
therly (s. http://www.zeit.de/1964/35/der-bomberpilot-von-hiroshima ) drei Tage vorher.
Was ist da in Ihnen vorgegangen?“ Die saloppe Antwort Sweeneys ist mir unvergesslich:
„Befehl ist Befehl, jeder Soldat der Welt hätte dasselbe getan.“ Und damit hatte Sweeney
sogar recht.
Es kommt ein Anderes hinzu: Unsere eigene Sache ist grundsätzlich immer die gute. Wa-
rum muss sich Amerika mit der Ostausdehnung (der NATO) immer weiter hineingraben in
die Vakuumsländer der alten Sowjetunion? Mittelasien, Kirgistan, Kasachstan, Usbekistan,
inzwischen auch Georgien, der Manöveraufmarsch im Baltikum (und) das soll so weiterge-
hen. Die Ukraine (wurde) durch die Farbrevolution im Grunde okkupiert, vorbereitet (wird)
die Abtrennung Weißrusslands und seiner Hauptstadt Minsk von der Russischen Föderati-
on. Es soll nicht aufhören. Das dient nicht dem Frieden, es erhöht nur das Leid der Be-
wohner dieser Regionen.
Als Europäer können wir nur sagen, die Amerikaner sollten aufhören, auf unserem Rü-
cken, auf unsere Kosten, auf unserer Haut und unseren Knochen ihre Machtspiele weiter
auszudehnen. Dann kommt noch ein absolut vereinfachtes Weltbild hinzu: Wir sind die
Guten und drüben sind die Bösen. Um Menschen in Serie töten zu können, dürfen sie ei –
gentlich keine Menschen mehr sein. (Als) „Unmenschen, Gegenmenschen, Bestien, Unge-
ziefer, Wahnsinnige“ oder irgend so etwas werden sie in der BILD-Zeitung beschrieben,
und dass sie „abgeschafft“ gehören. Nach Meinung des Friedensnobelpreisträgers Oba-
ma „verstehen sie nur die Sprache der Gewalt“. Wer das ernsthaft glaubt, kann nur noch
morden. Je weniger von den Bösen überleben, desto besser scheint dadurch die Welt (zu
werden). Aber wir selber werden immer böser dabei, und dagegen müssen wir uns wehren
und unsere Kinder schützen.
Philip Zimbardo hat ein Buch geschrieben, „Der Luzifer-Effekt“ (weitere Informationen
dazu s. unter http://www.deutschlandfunkkultur.de/philip-zimbardo-der-luzifer-effekt-wie-
man-der.1270.de.html?dram:article_id=391736
). Das meint genau dies. Wir versuchen
den Teufel von der Erde zu vertreiben und in die Hölle zurück zu bomben. Aber das Ergeb-
nis ist umgekehrt, wir verwandeln die ganze Erde in eine Hölle und uns selber in Teufel.
Denn den Menschen bringen wir bei, dass es richtig ist, Befehle, die gegen unsere „Fein-
de“ gerichtet sind, auch auszuführen. Unsere Feinde wären aber nicht unsere Feinde,
würden wir mit ihnen reden und versuchen, sie zu verstehen. Für jeden Mann und jede
Frau ist das die normale Form der Versöhnung, warum (sollte die) zwischen Staaten nicht
(möglich) sein?
Sechs Wochen militärischer Drill – Erich Maria Remarque hat in seinem (Buch) „Im Wes-
ten nichts Neues“ gesagt: „Die (sechs Wochen) haben genügt, dass wir für jeden ehemali-
gen Postboten im Schlamm kriechen und alles, was er sagt, tun. Wir sind keine Menschen
mehr, wir sind wilde Tiere, wir sind Mörder geworden.“
Wer Tucholsky zitiert und sagt „Soldaten sind Mörder“ (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Sol-
daten_sind_M%C3%B6rder
), kann als Verfassungsfeind angeklagt werden, weil die Bun-
deswehr ein Verfassungsorgan ist. Unser Forderung ist, sie endlich aufzulösen. Sie ist völ –
lig überflüssig. Wir hätten keine natürlichen Feinde, wenn wir den gesamten Rüstungsetat
für die Interessen konvertieren würden, die Menschen tatsächlich haben, wenn sie leben
wollen. So lange wir aber den Krieg für die Rüstungsindustrie sponsern – als Rammbock
einer inhumanen Wirtschaftsordnung, zur Ausdehnung des Kapitalismus und um Zugriff
auf die Rohstoffe und die Handelswege zu haben, für eine Regime-Change-Politik, die in
Staaten der Dritten Welt (Komplizen des Westens als) Präsidenten installieren will – ist
das alles ein Gemenge zynischer Brutalität und einer Machtausdehnung, die den Namen
6/8Menschlichkeit noch nicht einmal im Ansatz verdient. Damit wird nicht die Zukunft gerettet,
sondern nur die Vergangenheit immer wieder repetiert. Damit wird die Steinzeit in die Ge –
genwart geholt und alles verhindert, was wir als Hoffnung in die Zukunft setzen.
Ich entsinne mich eines Vortrags „Wozu Griechisch?“, der gesponsert wurde von Frau von
der Leyen über den Altphilologen-Verband in Niedersachsen. Sie saß in der ersten Reihe,
und ich ergriff die Gelegenheit, den Nutzen des Altgriechischen in unserem Themenzu-
sammenhang vorzustellen. Lesen Sie Euripides (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Euripi-
des
). Im Peloponnesischen Krieg (s. dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Peloponnesi-
scher_Krieg
), der im letzten Drittel des 5. Jahrhunderts (v. Chr.) stattfand, verlieren Athen
und Sparta ihre geschichtliche Rolle. Dreißig Jahre lang hat das grausame Morden gewü –
tet. Und viele sind heute noch begeistert von den Helden, die Homer (s. https://de.wikipe-
dia.org/wiki/Homer
) besingt: Agamemnon, Odysseus und Achill (werden) als großartige
Vorbilder (verehrt). Alexander der Große schlief mit Homers Ilias unter dem Kopfkissen
ein.
Es ist Euripides, der mitten in dem Wahnsinn in seiner Tragödie „Die Troerinnen“ (s.
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Troerinnen ) lediglich die Perspektive ändert. Er betrach-
tet den Krieg nicht aus der Perspektive der Heroen, sondern aus der Perspektive der Op –
fer, der Frauen und Kinder. Astyanax, der kleine Sohn der Andromache (s. https://de.wiki-
pedia.org/wiki/Andromache
) wird an der Stadtmauer zerschmettert, damit aus dem Hause
des trojanischen König Priamos (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Priamos ) kein Nachfolger
mehr kommen kann, der die Griechen bedrohen könnte. Polyxena wird abgeschlachtet, damit ihr Blut den bösen Geist des Achill besänftige. Andromache selber wir abgeführt in die Sklaverei. Kassan-
dra, die Sehende und Wissende, die Heroine des Agamemnon, wird mitgenommen nach
Mykene.
Das ganze Grauen, das Leiden der Kinder, das Leiden der Frauen, wird es je gesehen,
wenn das Wort „Krieg“ fällt? Drei Viertel aller Opfer sind Kinder, sind Frauen, sind alte Leu-
te. Und dann will man den Sieg feiern – mit Paraden, die von New York bis nach Los An –
geles durch das ganze Land gehen und länger dauern als der ganze Krieg „Dessert
Storm“ (gegen den Irak) im Jahr 1991 (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Zweiter_Golfkrieg ).
Nach dem Krieg muss man das Gewissen der Mörder reinwaschen und sie wieder aufneh-
men in den Schoß der Beifall zollenden Bevölkerung. Auch sie verhält sich schizophren.
Sie hat nicht gesiegt, sie hat alles verraten, was Menschen als Sieg betrachten könnten.
Es wurde über Leichen gegangen für ein Ziel, das immer unerreichbarer wird, wenn es
denn jemals Frieden, Menschlichkeit und Gerechtigkeit gewesen wäre.
In unserer digitalen Bildungsoffensive wird wahrscheinlich Euripides nicht mehr gelesen
werden. Darum empfehle ich, dass wir uns im Deutschunterricht eines Autors erinnern,
von dem Reich-Ranicki (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Marcel_Reich-Ranicki ) sagte, er
sei „inaktuell“. In Wahrheit ist er aktueller denn je – wegen der Wiedereröffnung des so ge-
nannten Kalten Krieges, wegen der erneuten Vorbereitung einer atomaren Auseinander-
setzung, wegen der Verwandlung der ganzen Welt in ein Schlachtfeld. 1947 stirbt in Basel
Wolfgang Borchert (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Borchert ), (der) Autor des
Bühnenstücks „Draußen vor der Tür“, ein Mann, der die Welt nur noch durch die Gasmas-
kenbrille des Zweiten Weltkriegs sieht. Und er versteht nicht, was man mit ihm gemacht
hat und wie es weitergeht, und dass die Generäle schon wieder arriviert sind und dass
sich die Kriegsgewinnler schon wieder in ihren bequemen Sesseln räkeln. Der lungenkran-
ke Wolfgang Borchert hat uns ein Testament hinterlassen. Er kann eigentlich nur noch zu
uns reden, durch die Stimme, die wir ihm verleihen – beschwörend, bittend. flehend (frei
zitiert nach http://www.bo-alternativ.de/borchert.htm ): Mutter in der Ukraine, Mutter in
7/8Deutschland, wenn sie wieder kommen und euch sagen, ihr sollt Kinder gebären, Jungen
für die Schützengräben, Mädchen für die Spitäler, Mütter in der Ukraine, Mütter in
Deutschland, sagt NEIN! Mann an der Werkbank, wenn sie wieder kommen und dir sagen,
du sollst statt Kochgeschirren und Wasserrohren Kanonen und Handgranaten ziehen,
Mann an der Werkbank, sag NEIN! Und Forscher im Labor, wenn sie wiederkommen und
dir sagen, du sollst den neuen Tod entdecken für das alte Leben, Mann im Labor, sag
NEIN!
Und wenn wir schon in einer Versöhnungskirche sind, und miterleben, dass wir immer
noch Militärpfarrer haben, die uns beibringen wollen, die Verantwortung der Deutschen sei
die (erneute) Bereitschaft zum Führen internationaler Kriege, dann antworten wir denen
mit dem letzten Satz aus Borcherts Testament: Pfarrer auf der Kanzel, wenn sie wieder-
kommen, und dir sagen, du sollst die Waffen segnen und die Krieg heilig sprechen, Mann
auf der Kanzel sag NEIN, denn wenn du nicht NEIN sagst, wir das alles schlimmer denn je
weitergehen. Und das müssen wir gemeinsam verhindern!
Ich wollte eine politisch-humane Mahnrede halten, aber bei so viel Beifall in einer Kirche
wage ich zu äußern, was ich im Grunde sagen wollte. Der Mann aus Nazareth hat mit sei-
ner Botschaft absolut recht: Der Frieden kommt nicht durch die Überlegenheit der Stärke –
ren, das wäre ein Kapitulationsfrieden, wie die Welt ihn gibt. Im Johannes-Evangelium
steht, Jesus habe beim Einzug in Jerusalem gesagt: „Meinen Frieden gebe ich euch nicht
wie die Welt ihn gibt.“ (Sein Frieden) erfordert als erste Maßnahme die einseitige Abrüs-
tung. Beim Einzug in Jerusalem spricht Jesus das für mich schönste Wort zu unserem
Thema. Es steht am Beginn der Bergpredigt: „Glücklich wage ich die Menschen zu nen –
nen, die es unternehmen, inmitten dieser Welt wehrlos zu bleiben, denn nur sie haben das
Zeug, den Frieden zu bereiten,“ nachzulesen in Matthäus 5 (s. https://www.bibleserver-
.com/text/HFA/Matth%C3%A4us5
) und gültig für alle Zeit.
(Wir haben versucht, den Text der völlig frei gehaltenen, aufrüttelnden Rede ohne jede in-
haltliche Veränderung durch das Umstellen von Sätzen und durch in Klammern eingefügte
einzelne Worte und Links leichter lesbar zu machen. Der originale Wortlaut der Rede ist in
der eingangs gezeigten Videoaufzeichnung zu hören.)

Von admin